Wiesen sucht eine neue Kläranlage
Main-Echo Pressespiegel

Wiesen sucht eine neue Kläranlage

Gemeinderat: Gemeinde beauftragt Firma mit der Vorplanung - Anlagen besichtigt - Grundlage für Entscheidung Ende 2022
WIESEN  Die Ge­mein­de Wie­sen muss in den kom­men­den Jah­ren ih­re Teich­klär­an­la­ge er­tüch­ti­gen, um künf­tig die eu­ro­päi­schen Was­ser­rah­men­richt­li­nie ein­zu­hal­ten. Bei der jüngs­ten Sit­zung ha­ben die Ge­mein­de­rä­te ein­stim­mig die Fir­ma Rhö­n­E­n­er­gie Ef­fi­zi­enz + Ser­vice GmbH in Ful­da mit der Vor­pla­nung für ei­nen neue An­la­ge be­auf­tragt.

Um sich ein Bild von möglichen Kläranlagen-Varianten zu machen, hatten im März Bürgermeister Willi Fleckenstein, sechs Wiesener Gemeinderäte, Wiesens Klärwärter Marco Müller sowie Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamts Aschaffenburg drei Kläranlagen im Landkreis Fulda besichtigt, die bereits von der RhönEnergie Effizienz + Service umgebaut wurden: in Flieden, in Rothemann, einem Ortsteil von Eichenzell, und im Hofbieberer Ortsteil Wiesen.

Andere Verhältnisse

Wobei sich die Verhältnisse nicht 1:1 auf Wiesen, Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Schöllkrippen, übertragen lassen, wie Bürgermeister Fleckenstein am Montag im Gemeinderat sowie im Gespräch mit unsrem Medienhaus erläuterte. Die Gemeinde Flieden, wo eine zu einer so genannten Biocos-Anlage umgebaute Kläranlage in Betrieb ist, ist mit 11.500 Einwohnern, einer angeschlossenen Kelterei und einem großen Fleischverarbeitungsbetrieb um einiges größer als die kleine Spessartgemeinde Wiesen mit etwas über 1000 Bürgern. Die Anlage in Flieden besitzt eine Klärschlammentwässerung, die in Wiesen nicht erforderlich ist. Die Baukosten von 8,1 Millionen Euro wurden dort ohne einmalige Ergänzungsbeiträge finanziert. Das heißt, der Betrag wird ausschließlich 30 Jahre lang über die Gebühren refinanziert. Dadurch habe sich die Abwassergebühr in Flieden von 1,60 Euro pro Kubikmeter auf 3,20 Euro verdoppelt.

Der zweite Stopp der Besichtigungstour war eine im Jahr 2016 zur SBR-Anlage umgebaute kleine Teichkläranlage in der 2000 Einwohner-Gemeinde Rothemann. Dort wird der Klärschlamm nicht behandelt, sondern als Nassschlamm in einem ehemaligen Teich gesammelt und direkt landwirtschaftlich verwertet, so Fleckenstein. Mit der eingebauten Kombianlage Rechen und Sandfang sei der dortige Klärwärter allerdings sehr unzufrieden. Auch der Übergang von betonierter Sohle und folienverkleideten Böschungen im Vorlageteich sei in Rothemann nicht optimal. Die Baukosten lagen hier bei zwei Millionen Euro.

Die dritte besichtigte Anlage befindet sich im Hofbieberer Ortsteil Wiesen mit 6000 Einwohnern. Die dortige Anlage wird derzeit in eine zweistraßige Biocos-Anlage umgebaut. Kosten: vier Millionen Euro. Anders als in der Spessartgemeinde Wiesen ist dort in einem neuen Betriebsgebäude Raum für eine mögliche Schlammentwässerung vorgesehen. Die Anlage ist etwa doppelt so groß wie im Spessart geplant. Trotz der Unterschiede habe ihn diese Anlage am meisten angesprochen, berichtet Fleckenstein.

Entscheidung Endes des Jahres

Mit der nun beauftragten Vorplanung zum Preis von 49.500 Euro soll eine detaillierte und aktuelle Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vorgelegt werden. Fördermittel über die Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben (RZWas) werden nur gewährt, wenn die wirtschaftlichste Variante zwischen SBR und Biocos gewählt wird. Ob eine Anlage ein- oder zweistraßig sinnvoller ist und welche Mehrkosten dadurch entstehen, soll die Vorplanung ebenfalls errechnen.

Fleckenstein geht davon aus, dass sich seine Gemeinde nach der Vorplanung bis Ende 2022 für eine Variante entscheiden kann. Wenn das Wasserwirtschaftsamt das Konzept genehmigt, könnte die Ausführungsplanung starten.

Ende 2023 könnte die Ausschreibung erfolgen und Anfang 2024 mit dem Bau begonnen werden. Ende 2025 wäre die neue Anlage dann fertig.

Hintergrund: Biocos und SBR

Die patentierte Biocos-Technologie zur biologischen Abwasserreinigung in Kläranlagen ist laut Angaben der Hersteller eine wirtschaftliche Weiterentwicklung des konventionellen Belebtschlammverfahrens. Mit dem modular aufgebauten System lassen sich Kläranlagen für 500 bis 500.000 Einwohner konzipieren. Bestehende Anlagen können mit den flexibel einsetzbaren Modulen optimiert und erweitert werden. Die Biocos-Technik kombiniert die Funktionalität konventioneller Kläranlagen mit der kompakten Bauweise und der Flexibilität der Sequenziellen Biologischen Reinigung (SBR). Bei der reinen SBR-Anlage werde im Achtstundentakt der Reaktor gefüllt, Überstandswasser abgesenkt und Schlamm abgesaugt. Bei Biocos werde das Wasser direkt eingespült. Bei SBR gibt es einen vorgelagerten Teich als Puffer.

Wiesen klärt sein Wasser aktuell über eine Teichkläranlage mit einem Schönungsteich. Eine Teichkläranlage benötigt ein großes Wasservolumen und viel Fläche. Dafür ist der Energie- und Überwachungsaufwand geringer, aber auch die Wasserqualität, wie Bürgermeister Fleckenstein im Gespräch erläutert. Aufgrund der europäischen Wasserrahmenrichtlinie müsse die Wasserqualität verbessert werden, so Fleckenstein. Dies werde auch mehr Geld kosten. ()

28.04.2022
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