Wenn im Kahlgrund keine Hebamme zu finden ist
Main-Echo Pressespiegel

Wenn im Kahlgrund keine Hebamme zu finden ist

Geburt: Sprechstunde in der Schöllkrippener Sackhausscheune soll dem Problem entgegenwirken
Schöllkrippen  Neu­es An­ge­bot in der Sack­haus­scheu­ne Sc­höllkrip­pen: Seit An­fang des Mo­nats gibt es dort ein- bis zwei­mal wöchent­lich ei­ne so­ge­nann­te Hebam­men­sprech­stun­de. Sie soll Frau­en un­ter­stüt­zen, die kei­ne Hebam­me fin­den kön­nen. Die bei­den frei­be­ruf­li­chen Hebam­men An­net­te Ku­sch­min­der und Va­nes­sa Jung, bei­de aus Sc­höllkrip­pen, ha­ben die Ein­rich­tung ins Le­ben ge­ru­fen - mit Un­ter­stüt­zung von Bür­ger­meis­ter Marc Ba­bo (CSU).

»Ich habe Marc und seine Frau nach der Geburt ihres ersten Kindes im Wochenbett betreut«, berichtet Jung im Gespräch mit der Redaktion. »Dabei sind wir ins Gespräch gekommen und so ist das Projekt entstanden.« Der junge Rathauschef und Vater selbst erklärt: »Ich habe live mitbekommen, wie schwer es aktuell ist, Kontakt zu einer Hebamme aufzunehmen. Da dachte ich, es sei sinnvoll, auf Gemeindeebene ein Angebot zu schaffen und einen Raum anzubieten, wo sich Frauen vertrauensvoll hinwenden können.«

Die beiden Hebammen - Kuschminder arbeitet in den Gelnhäusener Main-Kinzig-Kliniken, Jung bei den »Hebammen am Landing« in Aschaffenburg - sind dankbar für Babos Unterstützung: »Wir dürfen die Sackhausscheune kostenlos nutzen. Außerdem hat uns die Gemeinde finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, um den Raum auszustatten.« Das Angebot richtet sich an Frauen aus dem Kahlgrund, die keine Hebamme finden können.

»Sie können sich bei Bedarf online anmelden. Erst mal haben wir für jede Frau einen Termin von 30 Minuten eingeplant. Da können wir Anliegen besprechen und Hilfestellung geben«, erklärt Jung. In der Beratung könne es um Vor- und Nachsorge gehen, aber auch um die Wochenbettambulanz, auch Akupunktur bieten die beiden Hebammen an: »Manchmal haben Schwangere Rückenschmerzen und da kann Akupunktur helfen. Auch Frauen, deren Hebammen so etwas nicht anbieten, können zu uns kommen«, so Jung.

Die Leistungen der Hebammenhilfe werden in der Regel ganz normal über die Krankenkasse abgerechnet. Wer privat oder nicht versichert ist, erhält eine Privatrechnung. Aktuell beraten Jung und Kuschminder nur zu zweit: » Wir haben das bewusst so entschieden, um erst mal abzuwarten, wie groß die Nachfrage ist. Wir haben aber noch mehr Kolleginnen im Kahlgrund, die uns bei Bedarf unterstützen würden.« Auch wenn sich in der ersten Woche noch keine Frauen gemeldet haben, ist sich Jung sicher, dass Anfragen kommen werden: »Generell besteht im Sommer mehr Bedarf an Hebammen, weil dann mehr Kinder zur Welt kommen. Da wird sich das Angebot eher lohnen.«

Denn obwohl die Zahl an praktizierenden Hebammen offiziell steigt, scheint der Mangel größer zu werden. Für immer mehr Frauen erweist sich die Suche nach einer Hebamme als schwierig - und das, obwohl schwangere Frauen gesetzlichen Anspruch auf eine Hebamme haben. Jung ahnt, wie es zu der Situation kommt: »Die Bezahlung für Hebammen ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Für einen Wochenbett-Besuch werden uns 38 Euro gezahlt - egal, ob der Termin eine halbe oder eineinhalb Stunden dauert. Viele Hebammen steigen deshalb erschreckenderweise ganz aus dem Beruf aus.«

Neben der Bezahlung gibt es noch andere Gründe: Hebammen, die an Kliniken angestellt sind, arbeiten häufig im Schichtdienst - ein Arbeitszeitmodell, dass viele Hebammen, die selbst Mütter sind, vor eine große Herausforderung stellt. Andere arbeiten freiberuflich, aber auch hier gibt es Hürden: Die Haftpflichtprämie für freiberufliche Hebammen hat sich in den vergangenen Jahren verfünffacht. Um das zu umgehen, leisten manche freiberuflichen Hebammen keine Geburtshilfe im engeren Sinne mehr, sondern bieten lediglich die Vorsorge und Wochenbettbetreuung an.

Termine sind nur online vereinbar, sie werden je nach Bedarf angeboten: https://hebammeamlanding.hebamio.de/ (Termine-Vanessa Jung-Hebammensprechstunde)

11.10.2022
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